Ausstellung „Pop Pictures People“: Andy Warhol in München - WELT (2024)

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Auch wenn der leibhaftige Andy Warhol bereits im Jahr 1987 starb, wie lebendig seine Arbeiten noch immer sind, bewies vor zwei Jahren die „Warholmania“, eine spektakuläre Schau mit Showcharakter im Museum Brandhorst. Er lebt aber auch durch seine Nachkommen im Geiste. Diese versuchen sich nicht etwa epigonal an Plagiaten des amerikanischen Pop-Artisten, sondern führen seine Fragestellungen modifiziert in ihren Arbeiten weiter.

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Nun gibt es eine neuerliche Reprise des Hausgottes der Sammlung Udo und Anette Brandhorst, die mit insgesamt 100 Warhol-Exponaten äußerst reich bestückt ist. Für die neue Ausstellung haben die beiden jungen Kuratoren Patrizia Dander und Tonio Kröner ausgewählte Gemälde, Zeichnungen und Collagen Warhols aus den 60er- bis zu den 80er-Jahren mit Bekanntem, wie etwa Sigmar Polkes Revolutionsbild und Neuerwerbungen namhafter Künstler kombiniert, beziehungsweise konfrontiert.

Denn auch Warhols Erben stellen Grundfragen der Kunst, die diesen zeitlebens umtrieben. In welchem Spannungsfeld stehen abstrakte Kunst und die Welt der Massenmedien? Wie viel Kunst steckt in einem vervielfachten Abbild? Kann einer Reproduktion noch Authentizität zugesprochen werden?

Warhol unterspülte alle Grenzen

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In den sechs Kabinetten im Untergeschoss des Museums sind insgesamt etwa 60 Exponate unter dem Motto „Pop Pictures People“ nach verschiedenen Themenschwerpunkten gruppiert. Viele arbeiten mit denselben Strategien wie der Meister: Sie nutzen die massenhaft reproduzierten Bilder aus Illustrierten und Tageszeitungen, dem Fernsehen wie der Werbung. Also jene Pictures, mit deren Nutzung Warhol provokativ die Grenzen zwischen Kommerz, Kunst und Kultur unterspülte.

So stellt sich mit seinen „Flowers“, der Hibiskusblüte, die er 900-mal in verschiedenen Farben und Formen vervielfältigte, das Problem der Autorenschaft. „Warhols Reproduktionen beruhen auf einer Aufnahme; damit reflektierte er das Motiv des totalen Überflusses der Konsumwelt“, sagt Kurator Kröner. „Später wiederum verwendeten es andere auf Platten-Covern.“

Schon Warhol hatte alle Urheberrechte angezweifelt, als er zum ersten Mal Pressefotos verwendete, darunter für das große Doppelbild „Mustard Race Riot“. Auf diesem kombinierte er Aufnahmen von friedlichen Protesten afroamerikanischer Bürger aus dem „Life Magazine“, welche von weißen Polizisten angegriffen wurden.

Wem gehört Kunst, wem die Kopie?

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Louise Lawler malte Gerhard Richters bekannten Totenschädel nach, sodass man ihn kaum noch vom Original unterscheiden kann. Wie die amerikanische Malerin Elaine Sturtevant das Thema der Autorenschaft ad absurdum führt, demonstriert ihr kleines Marilyn-Porträt in Schwarz.

Eine Warhol-Kopie? Jedenfalls hinterfragt sie, die berühmt wurde durch das Wiederholen zeitgenössischer Kunstwerke, damit das Verhältnis von Original und Reproduktion. Dieser Neuzugang in der Sammlung Brandhorst „ist die Wiederholung einer Wiederholung, an der man ein virulentes Thema der aktuellen Kunst festmachen kann, das heißt die Frage des Besitzrechts“, sagt Patrizia Dander.

Das „Original“, Warhols Siebdruck „Round Marilyn“, steht am Beginn des Rundgangs. Es ist das Porträt der Marilyn Monroe in Medaillon-Form auf Goldgrund, das wie ein Heiligenbild aus der Hand mittelalterlicher Mönche daherkommt. Auf der einen Seite die Anmutung altmeisterlicher Malerei, auf der anderen Seite das mechanisch reproduzierte populäre Bildklischee der Schauspielerin – zwei gegensätzliche Pole, die Warhol dennoch auf vielen Werken zusammenbrachte. Neben der Monroe eine andere populäre Ikone, nämlich Jackie Kennedy in derselben Machart.

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Bei Nathalie Wood, berühmt geworden im Film „West Side Story“, ging der Künstler bereits zur seriellen Vervielfältigung ihres Konterfeis in Form eines Riesentableaus über. „Hier zeigt sich schon das Thema, das sich durch alle Ausstellungskabinette zieht: die Spannung zwischen Individualität und Abstraktion“, so Kuratorin Dander.

Auch Alex Katz, ein weiterer Mitbegründer der Pop-Art, spielt mit der Vervielfältigung eines Motivs – allerdings mit malerischen Mitteln. Sechsmal verewigte er seine Frau Ada auf dem Gemälde „Das schwarze Kleid“ in unterschiedlichen Posen. Während Ada eine seriöse Dame im Kleinen Schwarzen ist, liebte Warhol exzentrische Persönlichkeiten. Mit den „Ladies and Gentlemen“ schuf er seinen Freunden, Gefährten, Musen und Liebhabern eine Hommage der besonderen Art. Sie hielten sich im Umfeld seiner „Silver Factory“ in New York auf, wo Arbeiten und Leben in exzessivster Form stattfand.

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Der Künstler collagierte die Fotos der Drag Queens mit bunten Papierfetzen, um ein verwirrend groteskes Maskenspiel mit der Identität der Transvestiten zu schaffen. „Ein Spiegel ihrer Zerrissenheit“, kommentiert der Kurator. Erstmals sind dazu lang verschollene Filmaufnahmen zu sehen. Michel Auder dokumentierte mit dem privaten Umfeld Warhols eine ganze Epoche, die der Besucher nun noch einmal in Form von vier parallel laufenden Videos erleben kann, welche zu einer spannenden Collage kombiniert wurden.

Um das Verwirrspiel mit verschiedenen persönlichen, auch sexuellen Identitäten ging es nicht nur Warhol. Der hatte sich in dem frühen „Selbstporträt“ von 1964 noch ungewöhnlich brav inszeniert, während man ihn von späteren Bildnissen eigentlich nur noch mit weiß gefärbter, wild zerzauster Mähne kennt. Auch Louise Lawler verweigert jegliche Identität, indem sie sich selbstironisch als „Papagei“ darstellt – ursprünglich als Cover eines Audio-Projekts konzipiert, auf welchem sie als Vogel-Imitatorin die Namen bekannter Künstler von Joseph Beuys über Andy Warhol bis Cy Twombly zwitscherte.

Manches erscheint weit hergeholt

Wie Warhol und Lawler hinterfragt auch Jannis Kounellis die künstlerische Subjektivität, hier mit einer sehr witzigen, unkonventionellen Skulptur: ein ausgestopfter Papagei hockt am Rande eines Farbtopfs, welcher wiederum auf einem schwarz bemalten Buch steht. Es ist ein Gedichtband des französischen Lyrikers Arthur Rimbaud, dessen Verszeile „Ich ist ein anderer“ das Tierchen zu krächzen scheint.

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Jeff Koons Teddy namens „Love“ wiederum rekurriert auf Warhols Passion für banale Motive der Alltagswelt. Popbunt bemalt, aufwendig in Porzellan gefertigt, stammt das Tier mit dem Lätzchen „amore“ aus der Serie „Banality“. Koons hebt geschickt die Grenzen zwischen Kitsch und Kunst auf.

Auch wenn manchmal der vom Kuratoren-Team behauptete Nachhall auf Warhol-Werke weit hergeholt erscheint, so gibt es doch eine Reihe außergewöhnlicher zeitloser Pop-Objekte. Darunter Robert Gobers aus der Wand ragendes Männerbein in Anzughose und elegantem Schuh. Dazu zählt aber besonders ein verstörender Katzen-Kadaver von Bruce Nauman, der mit dem Klischee des süßen Haustiers bricht.

„Pop Pictures People“, Museum Brandhorst, bis 8. April 2018

Ausstellung „Pop Pictures People“: Andy Warhol in München - WELT (2024)

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